Wirtschaftlichkeit

Ob’s sich rechnet?

Der Film zum Einstieg. Windparks von Euro-Grab bis Übergewinn-Erzeuger auf Kosten der Steuerzahler. Das Team von Plusminus SWR-Marktcheck fragt nach dem Preis der Energiewende. (9 Minuten)
https://www.youtube.com/watch?v=i6MabtyXqd4

Windkraft Kostensituation 2024

Die Beratungsfirma Deutsche Windguard ermittelt auf Basis von Markterhebungen aktuelle Kostenparameter für das Betreiben von Windkraftanlagen. Für eine Anlage, wie sie im Gebiet BB-14 wahrscheinlich ist (höher als 250 m, mehr als 6 MW Leistung), nennt sie auf Kostenbasis vom Sommer 2024 als Hauptinvestitionskosten (Anlage inklusive Fundament und Installation) 1.230 Euro pro Kilowatt Nennleistung. Die Kosten verteilen sich im Durchschnitt zu 74 % auf Turm, Gondel und Rotor, zu 7 % auf das Fundament und zu 19 % auf Anlieferung und Errichtung.
Hinzu kommen Investitionsnebenkosten für Planung, Wegebau, Anbindung an das Stromnetz und Kompensationsmaßnahmen in Höhe von 506 €/kW.
Eine 7,2 MW-Anlage wie die Vestas V172-7,2 wäre demnach für ca. 12,5 Millionen Euro zu haben.

Im Windpark Langenbrander Höhe (Nordschwarzwald) wurden 2024 vier Windkraftanlagen des Typs Nordex N149 errichtet mit einer Nabenhöhe von 164 m und 4,5 MW Nennleistung. Die Investitionskosten werden vom Betreiber mit 36 Millionen Euro geschätzt. Daraus errechnet sich ein Investitionsaufwand von 2.000 €/kW.

An jährlichen Betriebskosten (Wartung, Pacht, Geschäftsführung, Versicherung, Rückstellungen für Rückbau) ermitteln die Windguard-Ökonomen Werte von 49 bis 57 €/kW. Etwa ein Drittel davon machen die Pachtzahlungen aus. Zusammen mit angenommenen Fremdkapitalzinsen von 5 % und einer „erforderlichen Eigenkapitalverzinsung von 8 %“ ergeben sich für einen Standort wie BB-14 (laut Windatlas Standortgüte 70 %) bei einer Betriebsdauer von 20 Jahren aktuelle Stromgestehungskosten von 8,5 ct/kWh. Für den Windparkbetreiber ist es wichtig, dass seine Stromgestehungskosten unterhalb der Marke liegen, die ihm mit der EEG-Förderung als Stromerlös garantiert wird.

Strom-Gestehungskosten: Solar schlägt Windkraft

Das Fraunhoferinstitut hat 2021 untersucht, zu welchen Kosten verschiedene Kraftwerkstypen Strom produzieren können. Die Daten sind etwas älter als die von Windguard, gestatten dafür aber Vergleiche. Windkraftanlagen an guten Standorten (z. B. an der Nordseeküste) mit umgerechnet 3.200 Volllast-Betriebsstunden pro Jahr können demnach (in Preisen von 2021) den Strom für 3,94 bis 5,01 Cent pro Kilowattstunde liefern. An Schwachwindstandorten (wie im Kreis Böblingen) mit lediglich 1.800 Volllaststunden wären die Produktionskosten 6,38 bis 8,29 ct/kWh, also gut 60 Prozent höher. Eingerechnet sind dabei die Investitionskosten einschließlich Fremdkapitalkosten und Eigenkapitalrendite sowie Betriebskosten, umgelegt auf eine Lebenszeit von 25 Jahren.

Zum Vergleich: Große freistehende Fotovoltaikanlagen würden in Süddeutschland für 3,12 bis 4,16 ct/kWh Strom erzeugen, also zum halben Preis der Windkraftanlagen. Heute neu gebaute Kohlekraftwerke könnten ihren Strom ab 10,38 ct/kWh anbieten. Bei den bereits existierenden und weitgehend abgeschriebenen Kraftwerken gehen nur noch die Betriebskosten in die Preisbildung ein, womit sie mit 8 ct/kWh am Markt auftreten können. Allein 5 bis 6 Cent davon macht die ihnen auferlegte CO2-Steuer aus.

Netzentgelte steigen und steigen

Haben wir also billigen Strom aus erneuerbarer Energie? Leider nein. Die Umstellung unserer Energieversorgung auf solche Anlagen geht mit einem Umbau der Leitungsnetzstruktur einher, dessen Kosten als Netzentgelt in die Stromtarife einfließen. „Die Verteilernetzbetreiber erwarten bis zum Jahr 2032 einen Netzausbaubedarf von 93.136 km mit geschätzten Kosten von 42,27 Mrd. Euro“, schreibt der Bundesrechungshof, eine unabhängige Kontrollbehörde der Regierungsfinanzen, in einem Sonderbericht.

Ein Beispiel für Handlungsbedarf zeigt dieser Filmbeitrag der Tagesschau (2 Minuten).

Über diesen regionalen Netzen liegt das Höchstspannungsnetz der vier Übertragungsnetzbetreiber, die bis 2037 über 12.000 km Leitungen neu verlegen wollen, darunter Nord-Süd-Trassen durch Deutschland. Kosten: 106 Mrd. Euro. 2023 gab es in Deutschland einen Bestand an Höchstspannungsleitungen mit einer Gesamtlänge von 37.700 km. Der größte Übertragungsnetzbetreiber, Tennet, gehört dem niederländischen Staat, der das Unternehmen verkaufen möchte. „Den Niederländern wurden die Kosten des Netzausbaus in Deutschland nämlich zu teuer“, weiß die Süddeutsche Zeitung und berichtet, dass der deutsche Staat Tennet „wegen Haushaltsproblemen“ nicht übernehmen will.

Die Beratungsfirma ef.Ruhr hat auf Basis des Netzentwicklungsplans des Bundes abgeschätzt, dass bis zum Jahr 2045 in Deutschland Netzausbaukosten in Höhe von 733 Mrd. € anfallen werden, davon 301 Mrd. € für das Übertragungsnetz und 431 Mr. € für die darunter liegenden Verteilnetze. Die Verteilnetz-Ausbaukosten allein für das Land Baden-Württemberg betragen demnach 52 Mrd. €. Die Zahlen beruhen auf der Kostenbasis von 2023, ohne Berücksichtigung von Inflation und anderen Kostensteigerungen.

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung kommt für den gleichen Zeitraum auf andere Werte: 328 Mrd. € für die Übertragungsnetze und 323 Mrd. € für die Verteilnetze, insgesamt 651 Mrd. €. „Die Bedarfsschätzungen bedeuten, dass in den kommenden Jahren das jährliche Investitionsvolumen im Bereich der Übertragungs- und Verteilnetze von rund 15 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf jährlich rund 34 Milliarden Euro anwachsen muss – ein Zuwachs um 127 Prozent.“

Netzengpassmanagement: Geld fürs Nichtstun

Das Stromnetz kann nicht speichern. Es muss zu jedem Zeitpunkt genau so viel Strom erzeugt werden, wie verbraucht wird. Die wetterlaunischen Wind- und Solarkraftwerke halten sich nicht daran. Bei Überproduktion müssen Anlagen abgeschaltet werden, die verhinderten Verkaufserlöse bekommt die Betreiber trotzdem vergütet. Gelingt das Abschalten nicht, so geraten die Börsenpreise am Spotmarkt ins Negative: Es muss draufgelegt werden, damit jemand den Strom abnimmt und so dazu beiträgt, dass das Netz nicht kollabiert. Am 12.05.24 bekam jeder 13,5 Cent dazu, der an der Börse eine Kilowattstunde Strom geordert hatte. Für zu langen Zeiten von Negativpreisen wurde im EEG eine Fördergrenze eingeführt, die aber nur in seltenen Fällen greift. „Finanzielle Fehlanreize“ sieht RWI-Ökonom Manuel Frondel und fordert in der Frankfurter Allgemeinen stattdessen Subvention von Stromspeichern.

2022 wurden 3,3 % der erneuerbaren Energien auf diese Weise abgeregelt und als „Geisterstrom“ bezahlt. Bei Flaute andererseits müssen Backup-Kraftwerke aktiviert werden, die sonst nichts tun. Auch das bloße In-Reserve-Stehen lassen sich die Kraftwerksbesitzer bezahlen. Die in Engpasssituationen hohen Stromeinkaufspreise tun ein Übriges.

4,2 Mrd. Euro mussten 2022 für dieses sogenannte Netzengpassmanagement aufgebracht werden — im Jahr 2020 waren es noch 1,4 Mrd. Euro. Für 2023 konnten die Ausgaben trotz Zunahme der nötigen Regelmaßnahmen auf 3,1 Mrd. Euro gesenkt werden. Grund waren gesunkene Brennstoff- und Großhandelspreise. Diese Kosten gehen ebenfalls in die Netzentgelte ein und werden hauptsächlich auf die Haushaltskunden abgewälzt.

Bereits von 2014 bis 2023 sind die Netzentgelte für Privathaushalte durchschnittlich von 6,54 auf 9,35 ct/kWh gestiegen und machen damit ein Fünftel des Stromtarifs aus. Industriekunden zahlen lediglich 3,30 ct/kWh. Für das Jahr 2024 wird ein weiterer Anstieg der Netzentgelte auf 11,62 ct/kWh für Haushaltskunden und auf 4,12 ct/kWh für Industriekunden gemeldet. Die oben genannte ef.Ruhr-Studie prognostiziert, dass bis 2045 die Netzentgelte in Baden-Württemberg für Haushaltskunden um weitere 16 ct/kWh, für die Industrie um 6 ct/kWh wachsen werden (ohne Berücksichtigung der Preisinflation).

„Je mehr Erneuerbare in das System eingebracht werden, desto mehr steigen die Kosten“, erklärt Leonhard Birnbaum, Chef des Energienetzbetreibers e.on, in diesem Filmbeitrag (8 Minuten). Windparks seien vielfach an der falschen Stelle gebaut.

Backup-Gaskraftwerke kosten 60 Mrd. Euro

Erdgaskraftwerke emittieren pro erzeugter Kilowattstunde Strom etwa halb soviel CO2 wie die Kohlemeiler. Bis 2030 will die Bundesregierung alle Kohlekraftwerke abschalten – nicht ohne Konsequenzen. „Angesichts des vollzogenen Ausstiegs aus der Kernenergie und des angestrebten vorgezogenen Kohleausstiegs erfordert die Versorgungssicherheit daher den Zubau neuer gesicherter, steuerbarer Leistung. Außerdem ist ein erheblicher Ausbau der Stromnetze nötig“, mahnt der Bundesrechnungshof.

Es braucht als Ersatz für die abgeschalteten Grundversorgungs-Kraftwerke ca. 40 Gasgroßkraftwerke, die als Backup zur Verfügung stehen, wenn die Erneuerbaren wetterbedingt nicht liefern können. Kosten nach Berechnungen des Handelsblatts: 60 Mrd. Euro. Da sie zwar voll funktionsfähig sind, aber nur im Flautefall arbeiten dürfen, sind sie nach einer Untersuchung des Westfälischen Energieinstituts für private Energiekonzerne „wirtschaftlich nicht darstellbar“ und müssen weitgehend aus dem Steuertopf finanziert werden. Knapp die Hälfte der benötigten Gaskraftwerke sollen jetzt ausgeschrieben werden. Das entsprechende Kraftwerkssicherheitsgesetz ist allerdings beim Zerbrechen der Ampel-Regierung im Konsultationsverfahren steckengeblieben und muss von der nächsten Bundesregierung neu aufgesetzt werden.

Folge des Mangels an Backup-Kraftwerken: Im kurzfristigen Stromeinkauf zur Überbrückung von Dunkelflauten schießen die Preise nach oben. Am 6.11.24 lag die Spotmarkt-Notierung bei 82 Cent pro Kilowattstunde, für den 12.12.24 wurden im Day-Ahead-Handel Einkaufspreise bis 94 ct/kWh gezahlt. Normalerweise ist der Strom an der Börse bei langfristiger Bestellung für 4 bis 5 ct/kWh zu haben. „Ein Grund für die Hochpreis-Insel Deutschland könnte der fortgesetzte Kohle-Ausstieg sein“, schreibt die WELT.
Hinweis: Börsenstrompreise und Stromerzeugungsdaten können im Portal energy-charts.info des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme abgefragt werden.


Flatterstrom

Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber ermitteln im 15-Miunten-Takt für ihre Netze die Stromeinspeisung und -entnahme. Hier die gesamtdeutsche Windkraft-Einspeisung im Jahresverlauf 2022. Stolz meldet die Bundesnetzagentur für Februar 2022 einen Höchstwert von 56.718 MW von 58.000 MW möglicher installierter Leistung, womit fast alle verfügbaren Windräder voll produziert hatten. Dicht neben solchen Glücksmomenten finden sich allerdings Phasen, wo die Gesamtproduktion der Windkraftanlagen nahe bei Null liegt. Die Vorstellung, immer wird irgendwo Wind wehen, geht nicht auf. Diese extremen Schwankungen, welche auch über das ganze Land hinweg nicht ausgeglichen werden können, bereiten im Netzwerkmanagement Riesenprobleme und erfordern raschen Backup. Hochflexible Gasturbinen-Kraftwerke können in wenigen Minuten hochfahren, haben allerdings nach Berechnungen des Fraunhoferinstituts Stromgestehungskosten von bis zu 29 ct/kWh. Vor allem: Es gibt nicht genug davon. Im Jahresdurchschnitt wurde knapp 20 % der maximal möglichen Windkraft-Leistung realisiert und ins Netz eingespeist. (Grafik: Bundesnetzagentur)

Beispiel Windstromerzeugung November 2024:
Der von Windkraftanlagen im November 2024 in Deutschland produzierte Strom schwankte zwischen 50 MW am 6.11. und fast 50.000 MW am 27.11. In den windstarken, aber verbrauchsarmen Nachtstunden des 28.11. konnten 85 Prozent des deutschen Strombedarfs allein durch Windkraft gedeckt werden. Zu Flautezeiten allerdings (6.11.) waren es tagsüber keine 0,1 Prozent des Bedarfs. Eine solche Stromerzeugungslücke lässt sich selbst durch eine Verzehnfachung der installierten Windräder nicht ausgleichen: zehnmal nix bleibt nix. Im Jahresdurchschnitt wurde 2024 etwa ein Viertel der Stromerzeugung durch Wind-an-Land-Anlagen geleistet.
Während der Dunkelflaute am 6.11. wurden 71.000 MW als Residuallast von konventionellen Kraftwerken angefordert, in den „guten“ Zeiten des 24.11. waren es nur 4.000 MW. Um den Strombedarf zu decken, lieferten zugeschaltete Gaskraftwerke je nach Windstromlücke zwischen 3.000 und 18.600 MW Strom, Braunkohlemeiler weitere 3.300 bis 14.000 MW, Steinkohlekraftwerke waren mit 1.100 bis 6.800 MW dabei, Solaranlagen konnten in manchen Mittagsstunden 31.000 MW erzeugen. Bis zu 17.000 MW wurden aus dem Ausland bezogen. Am 6.11. musste für den Stromeinkauf an der Day-Ahead-Börse teilweise 82 ct/kWh gezahlt werden. (Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme)
Das permanente kurzfristige Hoch- und Runterfahren der regelbaren Kraftwerke, um einerseits die Fluktuation der Wind- und Solaranlagen auszugleichen und andererseits den sich ändernden Strombedarf zu befriedigen, ist wesentlich für die Stabilität des Stromnetzes. Gelingt dieser „Redispatch“ nicht, so steigt die Gefahr eines Blackouts (großflächiger Stromausfall). Sie nimmt mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien zu. Dieser kleine Aufsatz gibt einen ersten Überblick über die zugrundeliegenden Mechanismen.

EEG-Förderung: Staatsknete für die Stromindustrie

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stellt weitere Fördergelder zur Verfügung. Seit Juli 2022 sind diese aus dem Bundeshaushalt finanziert, vorher wurden sie über eine EEG-Umlage mit den Stromtarifen erhoben. Wie funktioniert die EEG-Förderung? Gezahlt wird die Differenz zwischen Strom-Markterlös („Marktwert“) und einem garantierten Mindesterlös.

Die in früheren Jahren übliche feste Einspeisevergütung für Strom aus Windkraftanlagen wurde durch ein Ausschreibungsverfahren ersetzt. Die Bundesnetzagentur führt alle drei Monate eine Auktion durch, bei der sie benötigte Strommengen zusammen mit einem zulässigen Höchstwert bekannt gibt, der als garantierter Mindesterlös eingefordert werden kann. Die neu in den Markt eintretenden Anlagenbetreiber (es muss eine Baugenehmigung vorliegen) geben darauf ein Angebot ab, in dem sie mitteilen, wie viel Strom sie liefern wollen und mit welchem Mindesterlös („Gebotswert“) pro kWh, der maximal den Höchstwert erreichen darf, sie zufrieden wären. Die Angebote werden nach Höhe des Gebotswertes sortiert und so lange befriedigt, bis das ausgelobte Stromvolumen ausgeschöpft ist. Zum Zuge kommen also die Betreiber, die am wengsten Fördergeld haben wollen. Mit erteiltem Zuschlag besteht dann eine gesicherte Finanzbasis, um den Windradbau zu beginnen. Wer zu viel verlangt, bleibt unter Umständen außen vor und mus es bei der nächsten Auktion erneut versuchen.

Beispiel Ausschreibungsverfahren Mai 2024: Es wurde ein Stromvolumen von 2,8 GW bei einem zulässigen Höchstwert von 7,35 ct/kWh ausgeschrieben. 189 Gebote mit einem Gesamtvolumen von 2,4 GW gingen ein. Die zur Verfügung stehende Ausschreibungsmenge wurde nicht ausgeschöpft. Die Gebote nannten einen Gebotswert zwischen 7,20 und 7,35 ct/kWh und wurden alle berücksichtigt.

Seit 2022 waren die Ausschreibungen regelmäßig unterzeichnet, womit sie ihr Ziel, Kostensenkungsdruck auszuüben, nicht erreichen und die Anlagenbetreiber gefahrlos das maximale Fördervolumen abrufen konnten. Zwar wurde der zulässige Förder-Höchstwert 2023 von 5,88 auf 7,35 ct/kWh erhöht, der Windstromindustrie scheint dieses aber nicht zu reichen. „Das Interesse der Investoren an neuen Windparks lässt weiterhin an Schwung vermissen“, kommentiert die „Welt“ im Mai 2024: „Ob die Ausbauziele für Windkraft so erreicht werden, ist nicht sicher.“ Viele erteilte Windrad-Baugenehmigungen werden nicht genutzt, weil die technischen Planungen mittlerweile veraltet sind und neuere Anlagentypen höhere Wirtschaftlichkeit versprechen.

Update 11.12.2024: Bei der ausgeschriebenen Strommenge von 4,1 GW im November 2024 war das Angebot erstmals seit 2022 deutlich überzeichnet. Von 528 eingereichten Geboten mit zusammen 6,1 GW wurden nur 348 berücksichtigt. Der höchste Gebotswert mit Zuschlag lag bei 7,23 ct/kWh. „Der äußerst positive Trend bei den Geboten wird sich ab dem kommenden Jahr auch deutlich bei den Inbetriebnahmen zeigen“, heißt es in der Pressemitteilung der Bundesnetzagentur. Vielleicht erleben wir jetzt so etwas wie eine Torschlusspanik, genährt von der Befürchtung, dass sich der Staat das EEG-Förderinstrument nicht mehr lange leisten kann.

Der vom Betreiber angegebene Gebotswert gilt 20 Jahre lang als Aufstockungsgrenze für seine Stromeinkünfte. Immer, wenn an der Strombörse weniger erlöst wird, zahlt der Staat den Differenzbetrag, im Gesetz „Marktprämie“ genannt. Die für Jahrzehnte garantierten Einkünfte sind ein wesentlicher Grund für die Stromindustrie, in diese Technologien zu investieren: Sind die Börsenpreise hoch, wird abgesahnt (siehe den Eingangsfilm ganz oben), sind sie niedrig, so wird Staatsknete abgegriffen.

Achtung: Die genannten Höchstwerte beziehen sich auf eine Referenzanlage und werden je nach Standort- und Anlagenbedingung angepasst. Der Windatlas Baden-Württemberg schätzt für das relativ windschwache Gebiet BB-14 einen Gütefaktor von etwa 70 %; er wird vor Bau der Anlage gutachterlich ermittelt und später im Betrieb überprüft. Aus diesem Gütefaktor ergibt sich ein Korrekturfaktor von 1,29 für den EEG-Gebotswert, so dass statt mit 7,35 ct/kWh real mit einer Aufstockung auf 9,48 ct/kWh gerechnet werden kann. Diese Mechanismus soll dafür sorgen, dass auch in windarmen Gebieten Windräder rentierlich sind. Der Marktwert für Wind-an-Land-Strom lag im März 2024 bei 5,54 ct/kWh, woraus sich im Beispiel für diesen Monat ein ausbezahlter Förderbetrag von 3,94 ct/kWh ergibt ( 9,48 minus 5,54 ct/kWh).

Sind die eingangs abgeschätzten Stromgestehungskosten von 8,5 ct/kWh für eine Vestas V172 im Wald BB-14 korrekt, so kann der Anlagenbetreiber bei dank EEG sicher zu erwartenden 9,48 ct/kWh einen Zugewinn von 1,0 ct/kWh erwarten, also gut 100.000 Euro pro Jahr und Anlage — zusätzlich zu der bereits über die Betriebskosten erwirtschafteten Eigenkapitalverzinsung von 8 %. Hinzu kommen noch die Extraerlöse bei günstigen Börsenverkaufspreisen. Im Jahr 2023 lagen die Börsenverkaufspreise des Windstroms meist über dem EEG-„Gebotswert“, so dass im Mittel lediglich 1,2 ct/kWh aus dem Fördertopf aufgestockt werden musste. Für Solaranlagen, für die ein anderes Fördermodell gilt, wurden 18,8 ct/kWh aus dem Staatshaushalt draufgelegt.

Für 2024 wurden EEG-Mittel in Höhe von 10,6 Mrd. Euro im Bundeshaushalt eingestellt, was nicht ausreicht. Im Juni 2024 wurde bekannt, dass wegen sinkender Börsenpreise und damit steigendem Aufstockungsanspruch bei den Anlagenbetreiber weitere 8,7 Mrd. Euro staatliche Fördergelder zu überweisen sind. Allein im September 2024 wurden nach Meldungen der WELT 2,6 Mrd. Euro EEG-Gelder an Ökostromproduzenten ausbezahlt, während ihr Strom an der Börse einen Erlös von lediglich 145 Mio. Euro erzielte. „Die Differenz bleibt beim Steuerzahler hängen“, heißt es. Im Jahr 2020 wurde bei damals geringen Markterlösen 29,8 Mrd. Euro EEG-Förderung für Erneuerbare ausbezahlt, 2023 waren es 17,4 Mrd. Euro. Es mutet seltsam an, wenn aus dem Staatshaushalt jährlich 10 bis 30 Mrd. Euro als Fördergelder in die Taschen der Erneuerbare-Energie-Stromindustrie gelenkt werden und es gleichzeitig heißt, Wind- und Solarkraftwerke hätten heute schon die günstigsten Stromgestehungskosten.

Strom-Bezahlbarkeit steht in Frage

Das Beratungshaus McKinsey prognostiziert für das Jahr 2035 allein Netzentgelte für Haushaltskunden von 23 bis 25 ct/kWh, was einer Verdreifachung im Vergleich zur Periode 2010 bis 2019 entspricht. Zusammen mit den Umlagen für neue Gaskraftwerke sowie erneuerbare Energien würden sich dann Haushaltsstrompreise von 47 bis 49 ct/kWh ergeben: „Das entspricht einem Anstieg von 60% gegenüber der Periode von 2010 bis 2019 und übertrifft auch die Strompreise während der Energiekrise in den Jahren 2022/23.“

Bei all diesen Zusatzkosten der Stromerzeugung wundert es nicht, wenn der Bundesrechnungshof ein „Akzeptanzproblem der Energiewende in der Bevölkerung“ sieht: „Bereits heute steht die Bezahlbarkeit der Stromversorgung in Frage.“ Die deutschen Strompreise zählen zu den höchsten der EU, sie lagen im Vorjahr 42,7 % über EU-Durchschnitt. Ein Viertel der Privathaushalte musste 2022 mehr als 10 % des Haushaltseinkommens für Energiekosten ausgeben.

Fazit der obersten staatlichen Finanzkontrolleure: „Niedrige Stromgestehungskosten für erneuerbare Energien gewährleisten also mitnichten eine preisgünstige Stromversorgung.“

Steigerung der Akzeptanz durch Bürgerbeteiligung

„Bürgerbeteiligung an Windparks lässt Zustimmung steigen“, titelt die Frankfurter Allgemeine. Die Möglichkeit eines finanziellen Engagements beim lokalen Ausbau der Windkraft würde für mehr Akzeptanz sorgen. Die Windstromindustrie legt Programme auf und fordert Gesetzesinititativen, Bundes- und Landesregierungen erlassen entsprechende Gesetze.

Zum Beispiel das EEG: Sogenannte Bürgerenergiegesellschaften, das sind Windkraft-Genossenschaften von Personen aus dem 50 km-Umkreis der Anlagen, müssen nicht am EEG-Ausschreibungsverfahren teilnehmen; sie erhalten die EEG-Durchschnittsvergütung des Vorvorjahres. Windanlagenbetreiber dürfen 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde als Schenkung ohne Zweckbindung an die betroffene Gemeinde zahlen. Sie holen sich das Geld – sofern die Strommengen EEG-gefördert sind — vom Netzbetreiber zurück, der es dann auf die Netzentgelte umlegt. Das wären im Gebiet BB-14 etwa 25.000 Euro pro Windrad und Jahr, die auf Kosten aller Strombezieher an die Kommunen fließen.

Windanlagenbetreiber versuchen gern, die Bevölkerung im Umkreis ihrer Windparks in ihre Geschäfte einzubeziehen. Im Windpark Langenbrander Höhe, 35 km Luftlinie von Böblingen entfernt, wurde der Bevölkerung in den Anliegergemeinden angeboten, eine Finanzbeteiligung als Nachrangdarlehen über 7 Jahre Laufzeit bei einer Verzinsung von 5,5 % einzugehen. Warnhinweis: Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen“, heißt es im Verkaufsprospekt. In der Tat wird ein Nachrangdarlehen im Insolvenzfall als letztes bedient, wenn dann noch Geld da ist. 78 Personen haben sich auf dieses Wagnis eingelassen. Sie zittern jetzt um ihre Einlagen, denn der Betreiberkonzern BayWa steht vor der Pleite. Das ARD-Verbrauchermagazin Pusminus berichtet (7 Minunten).
Der Windkraft-Projektierer Prokon (er wurde jetzt vom Herrenberger Gemeinderat ausgesucht, einen Windpark zu errichten) durchlief 2014 ein Insolvenzverfahren, bei dem vor allem Kleinanleger viele hundert Millionen Euro verloren haben. Und auch der für das Gebiet BB-14 in den Startlöchern stehende Projektierer SOWITEC konnte Ende 2023 Firmenanleihen nicht zurückzahlen.

Privathaushalten im Umkreis von 3 km um den Windpark Langenbrand wird ein „Bürgerstromtarif“ angeboten, der 10 % günstiger als der örtliche Grundversorger ist.

Auch in Böblingen soll der Beteiligungs-Trick zur Akzeptanzsteigerung angewendet werden: „Finanzielle Beteiligungsmodelle für Kommunen und Bürgerschaft“, sowie „Betreibermodell unter Berücksichtigung lokaler Akteure“ sind Kriterien, die ein Windpark-Inverstor für BB-14 erfüllen muss.

Eine Ausschüttung des Staatshaushaltes von rund 20 Milliarden Euro EEG-Fördergelder an Betreiber von Erneuerbare-Energie-Anlagen allein im Jahr 2024 und Aussicht auf risikofreie Stromunternehmer-Einkünfte auch für die folgenden 20 Jahre wecken Begehrlichkeiten. Die Kreiszeitung berichtet am 21.06.24 von einer lokalen Initiative, die als Energiegenossenschaft am geplanten Windpark BB-14 mitverdienen will. „Außerdem fordert die Initiative die Kommunen dazu auf, beim Pachtzins Zurückhaltung zu üben.“ Schließlich soll Rendite „in einer interessanten Größenordnung“ in die privaten Taschen fließen. Dies geschieht nicht nur auf Kosten der Steuerzahler, sondern vor allem zu Lasten der direkten Anwohner, die durch die Windtürme erhebliche Beeinträchtigungen in ihrem Wohnumfeld und im dann industriell überformten Naherholungswald, nicht zuletzt auch Immobilienwertverlust zu erleiden haben. Dazu erfährt man von der Gruppe nichts, die Spaltung in der Gesellschaft wird vertieft.

Die Stadt kassiert mit

Als Grundbesitzer kassieren die Kommunen Böblingen, Holzgerlingen und Ehningen beim Bau von Windrädern im Waldstück BB-14 mit. Vor ein paar Jahren waren noch Pachtgebühren von etwa 150.000 Euro pro Jahr und Windrad üblich, in jüngerer Zeit sind sie in die Höhe geschossen. Mittlerweile wird über jährliche Zahlungen in der Größe von bis zu 500.000 Euro pro Anlage an einem windgünstigen Standort geredet. Bei sechs Windkraftwerken und einer Laufzeit von 20 Jahren kommt da ordentlich was zusammen. Weitere Einnahmenquelle der Kommunen wäre die Gewerbesteuerzahlung der Windparkbetreiber. Die Stadt Böblingen schickt ihre Stadtwerke in die Projektentwickler-Gemeinschaft zur Errichtung des Windparks BB-14, um von Anfang an mitverdienen zu können — wenn das Geschäft hält, was es kaum verspricht.

Von Einwohner in den angrenzenden Wohngebieten hört man die Befürchtung, dass der durch den Windparkbau ausgelöste Wertverlust ihrer Immobilien weit größer sei als die Extraeinnahmen der Kommunen. „Ein Entschädigungsanspruch des durch eine Windkraftanlage belasteten Nachbarn nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs besteht nicht“, heißt es in einer Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Gesetzliche Regelungen wie „angemessene Abstände“ würden ausreichend Schutz bieten.

Die Initiative Lebenswertes Böblingen
setzt sich für den Erhalt des Waldes
und unser aller Lebensqualität ein.
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