Visuelle Beeinträchtigungen und gestohlene Frischluft
Periodischer Schattenwurf
„Bei klarem Himmel wird durch Rotoren ein bewegter Schattenwurf erzeugt. Dies führt zu optischen Immissionen und kann zu einer erheblichen Belästigung führen“, stellt die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) fest. Auf der Diezenhalde dürfte nachmittags häufig die Sonne im Drehbereich eines der sechs riesigen Windräder stehen. Dieses Video gibt eine Ahnung, was der periodische Schatten bei Ihnen daheim bewirken kann.
Im Genehmigungsverfahren wird überprüft, ob sich die Belästigung in Grenzen hält. Dazu legt der Betreiber eine Schattenwurfsprognose vor. Das Bayerische Landesumweltamt erläutert in diesem Dokument, wie sie erstellt wird. Bis zu 30 Minuten am Tag und insgesamt 8 Stunden im Jahr kann Ihnen das Flackern zugemutet werden. In der Windkraftanlage muss eine Einrichtung vorhanden sein, die das misst und die Räder anhält, wenn das Zeitvolumen ausgeschöpft ist. Das ist schon mal was, tröstet im Konkreten aber wenig, wenn Sie Ihre Kaffeetafel wieder einmal verschieben müssen.
„Bei der Beurteilung des Belästigungsgrades wurde eine durchschnittlich empfindliche Person als Maßstab zugrunde gelegt“, heißt es in den amtlichen „Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windkraftanlagen“. Und an anderer Stelle: „In der Laborstudie der Universität Kiel [9] wurde festgestellt, dass bereits eine einmalige Einwirkung des Schattenwurfs von 60 Minuten zu Stressreaktionen führen kann. Aus Vorsorgegründen wird daher die tägliche Beschattungsdauer auf 30 Minuten begrenzt.“
Wenn Sie empfindlicher reagieren, dann haben Sie Pech. Die Berechnungen für die Schattenbelästigung enden je nach Anlagentyp bei einer Entfernung von circa 1,3 bis 1,5 km vom Windrad. In größerem Abstand wird unterstellt, dass der Schattenkontrast Sie nicht mehr belästigt, da dann weniger als 20 Prozent der Sonnenfläche verdeckt werden.
Nachtlichter
Zur Sicherheit des Luftverkehrs müssen die Windkraftanlagen mit nächtlichen Blinklichtern versehen werden. Das ist ebenfalls höchst belästigend, weshalb ab 2025 eine „bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung“ Vorschrift ist, die nur dann die Lichter einschaltet, wenn sich ein Flugzeug in einem Radius von 4 km um das Windrad und einer Höhe von weniger als 600 m befindet. Nach unseren Beobachtungen haben die Flugzeuge im Landeanflug auf Stuttgart beim Passieren des Gebietes BB-14 eine Flughöhe von 1.000 bis 1.200 m über NN. Das Gebiet selbst hat eine Höhenlage von 450 bis 500 m über NN. Damit dürften die Lichter bei (fast) jedem Flieger, der nach Einbruch der Dunkelheit von Westen Stuttgart erreichen will, aktiviert werden.
Flugbewegungen im Bereich BB-14 in der Zeit vom 5. bis 19. Mai 2024. Rot markiert: Flughöhe unter 900 m (bezogen auf Meeresspiegel). Die meisten Flüge verlaufen in der Höhenzone 900 bis 1800 m (orange). Quelle: Deutsche Flugsicherung. Das Windkraftgebiet BB-14 befindet sich in nächster Nachbarschaft zur Hauptanflugschneise des 14 km entfernten Stuttgarter Flughafens aus Westen. Es ist noch ungeklärt, ob bis zu 285 m hohe Bauwerke in diesem Areal die Flugsicherheit gefährden. Der Flugkorridor liegt etwa 300 m oberhalb der Windradspitzen, bei einem seitlichen Versatz von ca. 1 km.
Landschaftsbild
Wer unsere Fotomontage mit Windrädern über der Diezenhalde sieht, wirft uns regelmäßig vor, stark zu übertreiben. Kaum jemand kann sich 260 bis 285 Meter hohe Anlagen direkt hinter dem Wohngebiet vorstellen. Wir sind überzeugt, dass wir nicht so falsch liegen. Es sind die welthöchsten derzeit verfügbaren Wind-an-Land-Türme, die vermutlich hier aufgestellt werden. Sie sind nötig, damit auch in einem Schwachwindgebiet die Chance auf eine halbwegs rentierliche Stromproduktion besteht. Alles, was Sie bislang an Windrädern gesehen haben, ist kleiner. Natürlich wissen wir den genauen Standort der Türme nicht, weshalb wir hier eine andere Positionierungsmöglichkeit vorstellen als auf der Startseite. Auch Farbe und Gondelform wird anders sein, aber das ist unerheblich. Der Gesamteindruck bleibt. Wir – wie auch viele andere Leute – fordern von der Stadtverwaltung schon seit Monaten, eine „amtliche“ Visualisierung vorzulegen. Anders, als bei der Schlossbergbebauung, kommt da nichts. Warum wohl? (Zur Größenbestimmung der Windturm-Repräsentanten siehe auch unsere Seite „Schlossberg“)
— Nachtrag: Am 24.09.24 haben die drei BB-14-Kommunen endlich entsprechende Visualisierungen vorgelegt, siehe unsere Seite „Visualisierung“.
Die Windräder stören nicht erst durch ihren Schattenwurf. Der bloße Anblick der sich drehenden Monster mag die einen zum Meditieren veranlassen, andere aber beklagen sich, dabei „durmelich“ oder „kribbelig“ zu werden. Der Landschaftsarchitekt Prof. Werner Nohl beklagt die „Horizontverschmutzung“ und beobachtet: „Die stetige Flügelbewegung übt eine magische Anziehungskraft auf das Auge aus, sie besitzt die Qualität eines „Blickfängers“, der dem Betrachter oftmals die Möglichkeit nimmt, sich anderen, attraktiven Landschaftszusammenhängen zuzuwenden.“ Jeder der sechs im Gebiet BB-14 geplanten Rotorkreise am Himmel hat die Fläche von drei Fußballfeldern. Sie nicht im Blickfeld zu haben, ist an manchen Orten Böblingens schwierig.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat 2023 verschiedene Aspekte der „visuellen Umweltverschmutzung“ beleuchtet und verweist auf das Bundesnaturschutzgesetz, welches in § 1 fordert, dass „die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft“ auf Dauer gesichert sind. Die Umweltschützer des Regionalverbandes Stuttgart wissen: „Bei Realisierung von regional bedeutsamen Windkraftanlagen wird sich das Landschaftsbild der Region maßgeblich verändern. Diese Veränderung wird oft als störend und damit als erhebliche Beeinträchtigung wahrgenommen.“ Wir hatten mal einen Ministerpräsidenten, der vor der „Verspargelung der Landschaft“ gewarnt hat. Im Baugesetzbuch wurde politisch festgelegt, dass eine optisch bedrängende Wirkung unbedeutend ist, wenn der Abstand vom Mast des Windrades bis zur Wohnbebauung größer ist als die zweifache Anlagenhöhe. Viele Menschen sehen das anders.
Übrigens …
Hätten Sie gedacht, dass die hier genannten visuellen Auswirkungen der Windkraftanlagen das Zeug haben, Ihr Gehör zu schärfen? Ist aber so: „Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die visuelle Beeinträchtigung (inklusive Schattenwurf, blinkender Hinderniszeichnung, die Tatsache, dass die Windenergieanlagen überhaupt sichtbar sind, die Zerstörung des Landschaftsbilds) zur WEA-Lärmbelästigung beitragen.“ Dieses liest man in einer Untersuchung des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2022. Wir haben sie bereits auf unserer Seite „Hörbarer Schall“ zitiert.
Was zunächst verblüfft, lässt sich vielleicht so erklären: Sie sind schon geladen, wenn Sie die sich drehenden Dinger in Ihrem Wohnumfeld permanent im Blickfeld haben. Wenn dann auch noch (leise) Betriebsgeräusche dazu kommen, dann reicht es und das Hirn meldet Alarm.
Es geht übrigens auch anders herum: Wer vom Windradbetreiber Haushaltsstrom zum günstigen Sondertarif angeboten bekommt (Es gibt häufig solche Programme für Windpark-Anrainer), der nimmt den Lärm nicht mehr so störend wahr. Es ist kein Zufall, dass diejenigen, die Windkraftprojekte durchsetzen wollen, regelmäßig auch Beteiligungsmodelle und Sondertarife ins Gespräch bringen.
Windklau
Wenn in einer Apparatur vorne Wind rein geht und hinten Strom rauskommt, dann bleibt Wind auf der Strecke. Bei wohl konstruierten Windkraftanlagen sind es 60 Prozent der Bewegungsenergie der Luft, welche den Rotorkreis durchströmt, die in elektrische Energie umgewandelt wird und so als mechanische Luftströmung verloren geht.
Damit wir uns vorstellen können, was das für das Wohngebiet bedeutet, unternehmen wir ein kleines Gedankenexperiment: Wir stellen alle Windräder eng nebeneinander und ersetzen die sechs Rotoren durch einen gemeinsamen Lattenzaun, der nur die Hälfte des Windes durchlässt. Dieser Zaun hätte dann die beeindruckende Länge von 930 Meter sowie eine Höhe von 150 Meter und würde am Himmel zwischen 60 und 210 Meter über den Baumwipfeln schweben. Und zwar genau dort, wo in der Regel die Frischluft für das gesamte Wohngebiet herkommt.
Jetzt haben wir eine Ahnung, dass das etwas bewirken wird im Siedlungsraum. Was es genau verändern wird, können wir leider nicht sagen. Wir verfügen über kein Berechnungsprogramm, welches das leistet und kennen auch kein Beispiel von anderen Orten. Es gibt wahrscheinlich außer Böblingen keine Kommune, deren Stadtverwaltung sich getraut hat, solch einen Windpark an ihrer Siedlungsgrenze, in einer wichtigen Frischluftschneise und in unmittelbarer Nähe zu einer dichten Wohnbesiedlung von vielen Tausend Menschen zu errichten.
Die Windräder haben noch einen weiteren Effekt. Nicht nur, dass der Wind geringer wird, es ist auch ein anderer. Statt gleichförmige, laminare Strömung gibt es im Auslauf der Anlagen eine kilometerlange Schleppe von Turbulenzen. Sie bewirkt, dass die nächtliche Temperaturabsenkung in Bodennähe geringer ausfällt und der Boden stärker austrocknet. Auch hier können wir Ihnen nicht sagen, was diese Veränderung des Mikroklimas für Ihre Tomaten im Garten ausmacht, lassen Sie sich überraschen.
Ist das alles gesponnen? Wohl nicht. Schauen wir uns ein anderes Projekt an. Das Postareal gegenüber dem Böblinger Bahnhof soll mit einem 60 m hohen und wenige zehn Meter breiten Hochhaus bebaut werden. Riesig für die Innenstadt, aber mickrig im Vergleich zum Windradkreis von 172 m Durchmesser. Gleichwohl hat die Stadt mit einem Fachgutachten untersuchen lassen, ob es negative Auswirkungen auf die Frischluft im Stadtzentrum hat. Hat es glücklicherweise nicht. Bei Windrädern gibt der Betreiber ein Windgutachten in Auftrag. Dieses hat aber lediglich die Aufgabe herauszufinden, ob genügend Wind für profitable Stromerzeugung weht. Was mit dem Wohnquartier hinter dem Windpark passiert, das interessiert ihn nicht.
Im Juli 2023 hat der Böblinger Gemeinderat seine Stadtverwaltung aufgefordert, hinsichtlich des geplanten Windparks BB-14 „weitergehende Untersuchungen“ anzustellen. Vorgelegt wurde bis jetzt: nichts. Solch ein Frischluftgutachten, das die Auswirkungen der Windräder für die Einwohner der Diezenhalde untersucht, wäre doch mal was. Wenigstens das könnte die Stadt machen.