Fledermausschutz – Fliegen nach Kalender
Den zarten Fledermäusen zerreißt es die inneren Organe, wenn sie in die starken Luftturbulenzen der Windräder geraten. Besonders bei Standorten im Wald zeigt sich eine große Opferrate. Manche Arten werden durch den Lärm der Windräder „über eine Entfernung von mehreren hundert Metern“ aus ihrem angestammten Jagd- und Lebensrevier vertrieben, andere werden durch die Anlagen angelockt.
Fledermäuse schützen heißt: Windrad abschalten, wenn ein solches Tier naht. Tatsächlich funktioniert der „Fledermausschutz“ anders herum: Nicht das Windrad richtet sich nach der Fledermaus, sondern diese darf nur dann fliegen, wenn es der im Windrad einprogrammierte Kalender erlaubt. Die Überlegung ist ungefähr so: Fledermäuse begeben sich im Herbst auf Wanderschaft, jagen zu Sonnenuntergangszeiten und fliegen gern, wenn es warm ist und nicht so gern, wenn es windet oder regnet. Daraus lässt sich schnell ein Anlagensteuerprogramm schreiben, welches in Abhängigkeit von Jahres- und Tageszeit, Sonnenstand, Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und Niederschlag die Anwesenheitswahrscheinlichkeit von Fledermäusen abschätzt und gegebenenfalls die Anlage abschaltet. Die Behörden erlassen zuweilen entsprechende Auflagen. In Deutschland werden ca. ein Viertel der Windräder mit einer solchen Abschaltvorrichtung betrieben.
Was etliche Fledermäuse vor dem Windradtod bewahrt, nützt längst nicht allen. Was, wenn die Anlage ihren Betrieb wieder aufnimmt, unsere Fledermaus aber ihren Hunger noch nicht gestillt hat und weiter jagen will?
Zuweilen ordnet die Genehmigungsbehörde ein „Gondelmonitoring“ an, bei dem über zwei Jahre mit Ultraschalldetektoren die Anwesenheit von Fledermäusen rings um die Anlage ermittelt wird, um dann Abschaltauflagen nachzujustieren. Bei den langen Rotorblättern heutiger Anlagen kommen die Sensoren aber nicht mehr mit, den Gefährdungsbereich abzudecken. Nach Meinung von Biogeografen der Uni Trier wie auch des Verbandes Naturschutz-Initiative (NI) kann das Monitoring keine validen Daten liefern. Die NI: „Fledermäuse können nur wirksam geschützt werden, wenn in ihren Lebensräumen keine Windenergieanlagen errichtet werden.“ Ähnlich der Nabu: „Standorte mit hoher Lebensraumqualität (strukturreicher Wald) (…) oder das Umfeld von Wochenstuben und Winterquartieren schlaggefährdeter Arten müssen bei der Windenergieplanung gemieden werden.“
Eine Untersuchung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) zeigt, dass Abschaltregelungen Opferzahlen reduzieren können. In der Praxis wird es darauf ankommen, die Auszeiten großzügig genug zu bemessen. Dem setzt allerdings das Naturschutzgesetz Grenzen: Es gilt als unzumutbar, wenn sich durch die Abschaltungen der Jahresstromertrag um mehr als 6 Prozent reduziert. Auf 1.800 Volllaststunden im Jahr umgerechnet darf damit im Mittel eine Abschaltung von höchstens 18 Volllast-Betriebsminuten pro Tag für Vogel- und Fledermausschutz angeordnet werden.
Nach Schätzungen des Nabu sterben jährlich in Deutschland bis zu 300.000 Fledermäuse den Windkrafttod, besonders betroffen sind Waldstandorte. Die Deutsche Fledermauswarte stellt in einer kürzlich publizierten Untersuchung fest: „Es kann davon ausgegangen werden, dass jetzt bereits erhebliche Beeinträchtigungen an den Populationen der besonders geschützten Fledermäusen entstehen“ und fordert, „dass Waldbereiche, in denen sich Fledermäuse reproduzieren, frei von WEA gehalten werden.“
Über das Waldgebiet BB-14 berichtet der Landesnaturschuzverband LNV: „Fledermausvorkommen im gesamten Gebiet.“
Vogelschutz — Gesichtserkennung für Rotmilan
Technisch weitaus anspruchsvoller ist, was als Schutz für kollisionsgefährdete Vogelarten angeboten wird. Kamera- oder Radarsysteme sollen anfliegende Vögel rechtzeitig erkennen und das Windrad gegebenenfalls abschalten. Das ist nicht einfach. Ein Rotmilan hat eine mittlere Fluggeschwindigkeit von 8 m/s, das Windrad braucht zum Abbremsen von Volllast- auf Trudelbetrieb ca. 30 Sekunden. Berücksichtigt man noch die Rotorspannweite und die Reaktionszeiten der Anlagenkomponenten, so muss das Abschaltsignal kommen, wenn der Vogel noch ca. 400 Meter vom Turm entfernt ist. Vorher hat das Erfassungssystem die Wahrnehmung des Flugobjektes, die Identifizierung der Vogelart und eine 3D-Berechnung der Flugbahn vorzunehmen, um Fehlabschaltungen zu verhindern.
Hersteller behaupten, dass ihre Geräte das leisten und schon ab 700 m Abstand auf gefährdete Vögel reagieren. Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE), eine Agentur des Bundesumweltministeriums, hat 2022 eine Marktübersicht der Antikollisionssysteme zusammengestellt. Man liest im Punkt „Entwicklungsstand“ zu den Geräten durchweg „In der Entwicklung“, „In der Erprobung“ oder „Optimierungsphase“. „Insgesamt ist der aktuelle Kenntnisstand über die Leistungsfähigkeit und standörtliche Eignung einzelner Systeme im Anwendungsfall bislang noch begrenzt“, heißt es in einer 2023 veröffentlichten Studie.
Am weitesten fortgeschritten scheint das System IdentiFlight eines US-Herstellers zu sein. Unter den einfachen Umgebungsbedingungen der norddeutschen Tiefebene und bei gutem Wetter erbrachten Tests in Bezug auf den Rotmilan brauchbare Ergebnisse. Auf die stark hügelige Waldlandschaft unseres Gebietes BB-14, zumal bei Regen oder bedecktem Himmel, ist das kaum übertragbar. Und nächtlicher Vogelzug kann sowieso nicht erfasst werden. Für andere Vögel als Rotmilan und Seeadler fehlt der Nachweis der Wirksamkeit. Das spürt der Mäusebussard, der nach Erkenntnissen von Ornithologen ähnlich wie der Rotmilan durch Windkraftanlagen in seinem Bestand bedroht ist.
So heißt es denn auch im Testbericht des Herstellers unter „Bewertung der Wirksamkeit“: „Der Einsatz dieses Systems zum Schutz des Rotmilans vor Kollisionen an WEA kommt insbesondere in Frage, wenn ein gewisser Mindestabstand zum Brutplatz eingehalten wird, die Rotorunterkante eine ausreichende Höhe aufweist, das Gelände nur mäßig bewegt ist …“ Und unter „Ausblick“ liest man: „Bislang wurden vor allem Offenlandstandorte mit geringem Waldanteil untersucht. In einem nächsten Schritt sollten daher auch Waldstandorte in Mittelgebirgssituationen einbezogen werden.“
Bei Laichingen auf der Alb wird derzeit ein Windpark im Wald errichtet, bei dem dieses erprobt werden soll. Der Nachweis der allgemeinen Praxistauglichkeit des IdentiFlight lässt auf sich warten. Das KNE arbeitet in einem Forschungsvorhaben noch daran, Rahmenbedingungen für den Einsatz von Antikollisionssysteme zu klären und Anforderungskriterien für die Vermeidungswirksamkeit zu definieren.
Die Anschaffungskosten eines solchen Vogelschutzsystems sind mit 300.000 Euro happig. Behörden dürfen nach überschlägiger Berechnung des KNE nur solche Systeme zur Betriebsauflage machen, die pro Windrad nicht mehr als 163.000 Euro kosten, sonst sei die Zumutbarkeitsschwelle überschritten. Freiwilliger Einbau durch den Anlagenbetreiber? Für den müsse sich die Technik amortisieren. Das sei gerade an weniger windstarken Standorten nicht einfach, stellt KNE-Wissenschaftlerin Bruns fest. Nicht zuletzt mindern Schutzabschaltungen den Stromgewinn: Einem verbreitetem Einsatz der Antikollisionssysteme „steht derzeit noch die Sorge von Windparkbetreibern um nicht unbeträchtliche und zudem im Vorfeld kaum kalkulierbare Ertragseinbußen entgegen.“